Social Capital durch den Sucher einer Vintage-Kamera

Im Rahmen unseres modepolitischen Designprojekts „Status wo?“ an der HTW Berlin hatten wir die einzigartige Gelegenheit, unsere Kreativität nicht nur durch Mode, sondern auch durch die Linse einer Vintage-Kamera auszudrücken. Dieses Experiment fügte unserer Ausstellung, die vom 28. bis 29. Juli 2023 in der Platte Berlin stattfand, eine besondere Note hinzu.

Ein Blick in die Vergangenheit

Dank der großzügigen Initiative von Teresa Fischer Studio wurden wir in die faszinierende Welt der Amateur-Arbeiterkameras der 1930er und 1950er Jahre eingeführt. Jeder von uns erhielt für drei Tage eine dieser Kameras – eine spannende Herausforderung, die unsere gewohnten digitalen Komfortzonen weit hinter sich ließ.

Die Aufgabe? Mit nur acht Aufnahmen die Essenz unseres Projekts einzufangen. Es war eine Übung in Präzision, Geduld und kreativer Voraussicht.

Meine analoge Interpretation von „Social Capital“

Für mich war dies die perfekte Gelegenheit, meine Idee des sozialen Kapitals visuell umzusetzen. Meine Vision war es, meine Designs in den Vordergrund zu stellen und gleichzeitig Menschen als lebendiges soziales Kapital darzustellen – in Bewegung, präsent, aber oft unscharf oder im Hintergrund. Diese Kombination sollte die Symbiose zwischen meiner Mode und den Menschen, die beteiligt im Hintergrund arbeiten und ihr Kontext geben, verdeutlichen.

Das Ergebnis? Drei gelungene Aufnahmen, die mich mit ihrer Aussagekraft überraschten:

Ein scharfes Porträt des Models Melina Geishirt Eduardo, umgeben von Menschen im Hintergrund – eine klare Darstellung des Individuums innerhalb des sozialen Gefüges.

Eine Doppelbelichtung mit den Modellen William Gimenez und Melina Geishirt Eduardo, unscharf, mit einem Mann, der durch den Rahmen läuft – ein zufälliges Kunstwerk, das die Vergänglichkeit sozialer Interaktionen einfängt.

William Gimenez, umgeben von einer Menschenmenge – ein Bild, das die Einbettung des Einzelnen in sein soziales Umfeld symbolisiert.

Reflexion über das Experiment

Diese analoge Erfahrung war mehr als nur ein fotografisches Experiment. Sie zwang uns, jeden Schuss sorgfältig zu überdenken und machte den Prozess des Fotografierens zu einem bewussten Akt. Die Ungewissheit, ob die Bilder gelingen würden, spiegelte in gewisser Weise die Unberechenbarkeit sozialer Beziehungen wider.

Die Resultate haben mich begeistert. Die Vintage-Kameras fingen eine Ästhetik ein, die perfekt zu unserem Thema passte – leicht verschwommen, nostalgisch und doch voller Leben. Sie zeigten, dass soziales Kapital nicht immer scharf umrissen ist, sondern oft aus flüchtigen Momenten und unscharfen Verbindungen besteht.

Eine neue Sichtweise auf Mode und Gesellschaft

Dieses Projekt, Teil unserer größeren Ausstellung „Status wo?“, regte zum Nachdenken über Klassismus in der Modebranche an. Es stellte Fragen wie: Wer kann Mode studieren? Wer kann welche Art von Mode machen und erwerben?

Durch die Linse dieser alten Kameras bekamen diese Fragen eine zusätzliche Dimension. Die analogen Bilder erinnerten uns daran, dass Mode und sozialer Status nicht nur in der Gegenwart existieren, sondern auch eine reiche Geschichte haben.

Fazit

Die Kombination aus Modedesign und analoger Fotografie hat mir einen neuen Blickwinkel auf mein Werk und dessen Platz in der Gesellschaft eröffnet. Es war eine wertvolle Erfahrung, die mich als Designerin wachsen ließ und meine Sichtweise auf soziales Kapital in der Mode erweiterte.

Dieses Experiment hat gezeigt, dass manchmal ein Schritt zurück – in diesem Fall zu einer älteren Technologie – uns einen Schritt vorwärts in unserem kreativen und kritischen Denken bringen kann.

Credits

photograph. Marlene Raymakers
& design.
& creative director.
retouch. Teresa Fischer
assistant. Natalie Jarczyk
& MUA.
helping hands. Emma Steinel

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